Afghanistan – eine leidvolle Geschichte

Man hat in letzter Zeit viel über die Übernahme Afghanistans durch die Taliban gehört und über den Versuch vieler Menschen, aus dem Land zu fliehen. Doch wer genau sind eigentlich die Taliban und wie konnte Afghanistan in eine solche Lage kommen? Um das ganz zu verstehen, muss man einen Blick in die Vergangenheit werfen.

Alles begann, als die Sowjetunion 1979 in Afghanistan einmarschierte, um mit Hilfe der kommunistischen Regierung Afghanistans das Land ganz in ihren Machtbereich zu bringen. Die von den Sowjets gestützte Regierung wollte aber nach kommunistischem Vorbild viele „nicht-muslimische“ Reformen durchsetzen, was bei dem zu über 99 % aus Muslimen bestehenden Land nicht gut ankam. Schnell bildete sich heftiger Widerstand von Seiten meist extremer Muslime, diese Freiheitskämpfer gegen die sowjetische Fremdherrschaft wurden die Mudschaheddin genannt.

Um im kalten Krieg zwischen der USA und der Sowjetunion kein weiteres Land an den Kommunismus verlieren zu müssen, unterstützte die USA heimlich über die CIA die Mudschaheddin mit Waffen, anfangs mit alten, dann aber mit hochmodernen. Als 1989 die Sowjetunion schließlich gescheitert aus dem Land ging, blieben diese Waffen in den Händen islamistischer Extremisten. Als dann auch die kommunistische Regierung fiel, gab es in Afghanistan blutige Machtkämpfe um die neue Verteilung der Regierungsform.

Hier traten auch das erste Mal die Taliban auf. Diese hatten sich aus Teilen der Mudschaheddin gebildet und wollten eine mittelalterliche islamische Ordnung durchsetzen. Von ihrer Ersterscheinung 1994 an dauerte es nur zwei Jahre, bis sie 1996 die Hauptstadt Kabul unter Kontrolle hatten. Von hier gründeten sie das weltweit von nur drei Ländern anerkannte „Islamische Emirat Afghanistan“ und eroberten Stück für Stück fast das restliche Land.

Sie machten jedoch den Fehler, Osama bin Laden, den Kopf hinter den Anschlägen von 9/11 auf das World Trade Center in New York zu beherbergen. Als die Taliban bin Laden nicht ohne einen Schuldbeweis ausliefern wollten, griffen die USA und ihre Verbündeten Ende 2001 das Land an. Die Taliban-Regierung war noch im selben Jahr besiegt und eine neue Regierung wurde etabliert.

Die Frauen im Land waren jetzt frei und es herrschte keine brutal islamistische Ordnung mehr. Doch die neue Regierung war korrupt und kleptokratisch, wer Macht bekam, bereicherte sich. Die Milliarden, die in Afghanistan eingesetzt wurden, landeten – wenn nicht in den Taschen von Warlords und Ministern – dann überhaupt nur in den Städten. So hatten die Taliban es ab 2003 leicht, sich gerade in den vernachlässigten, ländlichen Regionen neu zu formieren.

Die westlichen Truppen beschlossen, „noch ein Weilchen“ (am Ende waren es 20 Jahre!) dortzubleiben, um das Land zu stabilisieren, gerade jetzt, wo die Taliban wieder da waren. Es wurde zu einem langen und zermürbenden Krieg, der offiziell keiner war. Es gab mehr Suizide als Gefallene unter den westlichen Soldaten. Durch ihre Unkenntnis über die Kultur und das Gebiet der Afghanen waren die Hilfstruppen den Taliban deutlich unterlegen. Auch wurde durch die vielen Selbstmordattentate das Misstrauen der Soldaten in die Zivilbevölkerung immer größer. Die Soldaten hielten fast jeden, den sie trafen, mit ihren Gewehren auf Abstand, in der Angst, er könnte sich selber hoch sprengen. Die Taliban hatten nämlich keine Uniform, sie kleideten sich wie Bauern und Hirten.

Schließlich läutete Donald Trump den schrittweisen Abzug aus Afghanistan ein, die restlichen Staaten folgten dem Beispiel der USA. Man wollte die von Misswirtschaft, Überfinanzierung und Korruption geprägte afghanische Armee mit den Taliban allein lassen. Die Taliban begrüßten das, war es ihnen ja gerade gelungen, über hundert afghanische Bezirke einzunehmen. In der ersten Hälfte des Jahres 2021 zogen sich die westlichen Truppen nach 20 Jahren voller Verlusten, aber auch vielen Kriegsverbrechen vollständig aus Afghanistan zurück.

Die afghanische Armee war schnell besiegt, soweit sie überhaupt Widerstand leistete. Dies ist der Punkt, den vermutlich jeder in den Nachrichten mitbekommen hat. In den 20 Jahren haben die westlichen Armeen sehr viele Afghanen als Späher, Dolmetscher oder einfach, weil sie sich mit der Umgebung auskennen, eingestellt. Man versprach all diesen Leuten Schutz und im Notfall Asyl. Da sie für ihre Hilfe für die westlichen Truppen die Rache der Taliban fürchten müssen, versuchten und versuchen sie alle schnell aus dem Land zu kommen, was ebenfalls viele mitbekommen haben sollten. Dass die Rettungsflüge nicht für alle reichten und viele beim Fluchtversuch umkamen, ist ganz klar ein Versagen unser Regierungen, da diese den Leuten für ihre Dienste Schutz und Asyl versprochen hatten. Der damalige Außenminister Heiko Maas, der Warnungen der Botschaft in Kabul ignorierte, lehnte jede Rücktrittsforderung ab.

Die Taliban haben das Land wieder umgekrempelt, die Medien, Banken und alle anderen Einrichtungen übernommen. Internationale Guthaben Afghanistans sind seitdem eingefroren, weltweite Hilfsprogramme erst einmal eingestellt. Seitdem die Taliban da sind, gibt es auch kaum noch Jobs. 97 % der Bevölkerung werden dieses Jahr wahrscheinlich in Armut leben.

Die Frage der Schuldzuweisung ist schwierig und man wird in den nächsten Jahren auf jeden Fall auf das Land schauen. Um zu verstehen, warum der Versuch des „Nation Building“, das gebeutelte Land im westlich-demokratischen Sinne aufzubauen, gescheitert ist, kommen wir nicht umhin, uns mit der Geschichte Afghanistans auseinanderzusetzen.