Dachau

Wir sind an einem Mittwoch nach den Winterferien nach Dachau gefahren. Ich kann mich noch daran erinnern wie Herr Wiest zu uns gesagt hatte, er wolle an einem trostlosen Wintertag mit uns fahren, da er es makaber fand im Frühling, wo alles gedeihe und neue Hoffnung in der warmen Sonne sprießt. Und an diesem Tag war es kalt, trostlos. Ich war aufgeregt, wusste nicht, was mich erwarten würde. Klar hatte ich eine Vorstellung, doch keine Ahnung davon, was auf mich und meine Mitschüler zukommen würde. Und dabei gehört das KZ Dachau nicht einmal zu den großen Vernichtungslagern wie Auschwitz.

Die Hinfahrt war heiter. Alle redeten, aßen, hörten Musik. Und auch, als wir unsere Audio-Geräte bekamen, war noch alles irgendwie wie immer. Doch als ich in dem von Tod und Leid gezeichneten Hof stand, fielen mir keine Worte mehr ein. Alles war still, nur der Wind heulte, der die Stimmen der Toten mit sich trug.
Wir durften uns in Gruppen einteilen und hatten eine Stunde Zeit uns alles anzuschauen. Danach sollten wir in das Museum und uns alle zusammen den Dokumentarfilm ansehen. Diesen Tag werde ich wahrscheinlich nie vergessen. Ich konnte kaum einen Satz herausbekommen, ich wusste nicht, worüber ich hätte reden sollen. Ich hatte keine Gedanken im Kopf, alles war so monoton, einsam. Das Krematorium war am schlimmsten. Ich weiß noch, dass das ganze Haus systematisch wie eine Fabrik aufgebaut war. 1944 wurde dann auch eine Gaskammer eingebaut. Sie kamen rein, wurden vergast, ihre Leichen in einen Raum gebracht und dann eingeäschert. Am Ende gab es einen leeren Raum. An der Wand war eine Tafel, wo beschrieben wurde, wie hier die Leichen gelagert wurden. An der Seite gab es ein Bild von diesem Raum, in dem der ganze Boden mit Toten bedeckt war. Ich konnte nicht anders als mir vorstellen, wie ich auf einem Haufen Leichen stand. Wir haben uns in dieser Stunde alles angeschaut, und obwohl es in der ganzen Zeit eisig und windig war, war mir doch nicht kalt.

Am Ende sahen wir den Film. Es war ein Film, der die Ereignisse in Dachau beschrieb. Bilder von Leichen, ausgehungerten Menschen, Kindern, in Sträflingskleidung. Alles geschah an den Orten, an welchen wir vor einer Stunde gestanden haben. Und als wir wieder heraus liefen, über den Hof, in dem mehrere Leichenberge gelegen hatten, wirkte alles plötzlich real, so nah. Die Fahrt zurück war still, alle waren fertig von den Bildern, die wir gesehen hatten. Niemand hatte mehr Lust zu lachen, Spaß zu haben. Ich konnte mich halten, bis ich zuhause war. Ich kam zu Tür herein und Tränen begannen meine Wangen runter zu laufen. All das, was ich gesehen hatte, war so überwältigend, wie eine riesige Welle erdrückend. Am nächsten Tag ging ich nicht in die Schule, ich konnte es nicht. Trotzdem finde ich es unglaublich wichtig, dass man dies Schülern zeigt. Es bringt uns näher an das, was Menschen anrichten können und lässt und erkennen, wie wichtig es ist, dass dieses Ereignis nie vergessen werden darf.