Die Russlanddeutschen

Gerade in der Zeit des Krieges Russlands gegen die Ukraine rücken die Russlanddeutschen oft in den Vordergrund, zum Teil auch wegen der unkritischen oder sogar loyalen Haltung zu Russland mancher Weniger. Auch meine Familie väterlicherseits sind Russlanddeutsche, deswegen wusste ich schon recht früh über sie Bescheid, ja, überhaupt von ihrer Existenz. Hier die gar nicht so bekannte und teils leidvolle Geschichte dieser Volksgruppe.

Russland im 18. Jahrhundert. Die Zarin Katharina die Große hat Russland immens erweitert, doch es werden loyale Siedler gebraucht, um die neuen russischen Gebiete zu besiedeln und ein Gegengewicht zu den – teils rebellischen – Einheimischen zu bilden. Der sogenannte „Kolonistenbrief“, den sie verfasst, um Siedler von außen anzulocken ist quasi das Gründungsdokument der Russlanddeutschen. Sie müssen die ersten Jahre keine Steuern zahlen, bekommen das Land kostenlos, werden nicht für die russische Armee eingezogen und genießen Religionsfreiheit.

Die ersten 30.000 Deutschen die sich davon angesprochen fühlen, kommen bis 1770 nach Russland, Anfang 1800 kommen nochmal 50.000. Sie siedeln vor allem im Südwesten und um die Wolga, auch in der Ukraine gibt es Siedlungen. Lange sind diese geduldet, selbst als das russische Zarenreich untergeht und die UDSSR entsteht, bekommen die Russlanddeutschen eine eigene halb-autonome Region. Als dann während des zweiten Weltkriegs die Wehrmacht die Sowjetunion überfiel, wandelte sich die Stimmung gegen sie. Die Russlanddeutschen wurden gewaltsam deportiert und weg von der Frontlinie gebracht, so auch damals ein Teil meiner Familie.

Sie waren gezwungen im tiefsten Hinterland in Kasachstan oder anderswo in Zentralasien eine neue Existenz zu beginnen. Deshalb gibt es bis heute gerade in Usbekistan und Kasachstan ein paar kleine Dörfer, wo immer noch lange Zeit deutsch gesprochen wurde und wird. Die Stimmung entspannte sich und schon während des kalten Kriegs gingen die ersten wieder zurück nach Deutschland, wenn auch über Drittstaaten, da die direkte Einreise nach Deutschland noch nicht möglich war. So auch meine Großeltern, die schon in den 70ern nach Estland zogen, wo auch mein Vater geboren wurde, um von dort irgendwann nach Deutschland zu kommen. Aber erst nach dem Fall der Mauer und dem Zusammenbruch der Sowjetunion konnten die meisten Russlanddeutschen wieder in ihre Heimat zurückkehren. Diese Gelegenheit ergriffen gleich mehrere Millionen, die Regierung Helmut Kohls machte es ihnen möglich.

Und so leben heute mehrere Millionen Russlanddeutsche in Deutschland, man wird sie auf jeden Fall mal bemerkt haben bewusst oder unbewusst. Seit Russlands Überfall auf die Ukraine spaltet auch dieses Thema die russlanddeutsche Gemeinschaft, in der laut einigen Umfragen die AFD an beliebtesten ist. Nichtsdestotrotz eint meiner Erfahrung nach alle zumindest der Wunsch nach Frieden zwischen zwei Völkern, die man immer als Brudervölker kannte.