Erpressung – 5. Der Plan

Jonas und Marlene waren bereits in Miriams Zimmer. Nur Simon fehlte noch, aber er würde bestimmt gleich kommen und deswegen fingen wir schon mal an, einen Plan auszutüfteln. Miriam erklärte sich bereit, uns mit Luisa, der Tochter des Bankdirektors vertraut zu machen und sie zu einem Treffen bei sich zu Hause zu überreden. In der Zeit würde Simon das Abhören übernehmen.

Im Moment schlief der Direktor und wir konnten ungestört grübeln. Simon war inzwischen gekommen und Miriam rief Luisa an, um mit ihr unseren Plan zu besprechen. Luisa willigte nach kurzem Zögern und nachdem wir alle versprochen hatten, niemand weiteres von der Sache zu erzählen, ein. Wir machten aus, dass wir uns am nächsten Tag nach der Schule mit Miriam und Luisa auf den Weg zu Luisa nach Hause treffen würden und dann ohne Miriam zu Luisa gehen würden.

Davor würden wir uns aber noch verkleiden. Da Marlene ein Talent darin war, durfte sie das übernehmen. Ich verabschiedete mich als erste aus der Runde und schaute noch bei Leonie vorbei. Schon zwei Gänge von der Werkstatt entfernt hörte ich Wagners Schimpfen. Er war also tatsächlich selber gekommen. Vor der Werkstatt standen Theo und Petra. „Wagner hat uns beide rausgeschickt, bevor er angefangen hat, loszuwettern. Dabei hätte mich das gar nicht gestört. Ich würde einfach nur gerne an meinem Projekt weiterarbeiten, damit es fertig wird“, meckerte Theo. Petra stieg gleich mit ein: „Wenn die anderen einfach auch arbeiten würden, hätten wir die Bestellungen schon längst abgearbeitet und würden nicht bis zum Hals darin versinken. Dann könnten wir auch ohne Probleme an unseren eigenen Projekten arbeiten. Es ist nämlich so: Erst wenn wir mit den Bestellungen fertig sind, dürfen wir an unseren eigenen Projekten arbeiten.“ – „Aber dadurch, dass die anderen nicht arbeiten, bleiben die ganzen Bestellungen an uns hängen. Ich konnte seit mindestens einer Woche nicht mehr an meinem Projekt arbeiten!“ Ich war verwirrt: „Wenn ihr in Bestellungen versinkt, warum hat Leonie dann noch zusätzlich angefangen meine Ausrüstung anzufertigen? Ich habe sie nicht gefragt.“ Petra antwortete mir: „Jeder, der neu zur KJD dazukommt, bekommt erst mal eine Grundausstattung. Danach kann man Bestellungen aufgeben falls man noch etwas Bestimmtes braucht.“

Nachdem die Frage geklärt war, wollte ich eigentlich fragen, wie lange Wagner schon hier war und wie lange er vermutlich noch brauchen würde, als er aus der Werkstatt kam und so aussah, als hätte er die letzten fünf Minuten gebrüllt. Hinter ihm kam Leonie aus der Werkstatt gelaufen und flüsterte uns dreien zu: „Er hat sechs Minuten lang geschimpft, als er schließlich sagte, er würde im Eingangssaal eine Tafel aufstellen, auf der alle Namen der nicht Mitarbeitenden draufstehen würden. Es waren alle erleichtert, als er meinte, er würde die Tafel übermorgen installieren und mich dann fragen, wer heute nicht mehr mitgearbeitet hat nach dem Vortrag eben und er hat mir noch zugeflüstert, dass ihr beiden euch morgen so verhalten sollt, wie die anderen es die letzten Monate gemacht haben.“ – „Du meinst quatschen, essen und hin und wieder eine Schraube an unserem eigenem Projekt festdrehen?“ Als Leonie nickte, schienen Petra und Theo wie ein Feuerwerk loszugehen und sich zu überlegen, wie sie den anderen das Leben so richtig schwer machen konnten: „Wir könnten aus Versehen eine Cola Flasche über ihren Plänen fallen lassen, damit sie alles nochmal von vorne machen müssen.“ – „Und wir stoßen aus Versehen die gerade neu sortierten Schrauben um“ – „Ja die ganz kleinen“. Leonie unterbrach das Ganze: „Erstens, besprecht sowas nicht vor der Werkstatt und zweitens, holt euch erstmal etwas zu Essen.“ Das Grummeln ihrer Mägen unterstrich die Aussage noch tatkräftig und die beiden machten sich auf den Weg. „Ich vermute, du bist hier, um deine Ausrüstung abzuholen“ – „Wenn sie denn schon fertig ist…?“ – „Noch nicht ganz, aber so gut wie. Eine Menge kleiner Minikameras, Abhörwanzen und Peilsender, versteckt in lauter Alltagsgegenständen, die du ohne Bedenken in deinen Rucksack packen kannst. Ich bin nur noch nicht ganz fertig mit der Nachtsichtbrille. Ich hoffe, du hast nichts gegen schwarze Haarbänder.“

Ich ging ihr hinterher und sah, was sie meinte. Sie hatte angefangen in ein schwarzes Haarband kleine technische Teile einzubauen und somit ein Haarband mit Nachtsichtfunktion herzustellen. „Wenn ich es fertig habe, siehst du nachts genauso gut wie eine echte Katze. Du musst das Haarband einfach nur über deine Augen ziehen. Brauchst du sonst noch was für deinen neuen Auftrag?“ – „Eigentlich wollte ich nur schauen, wie weit du mit meiner Ausrüstung bist, ich hatte nicht gedacht, dass du so schnell vorankommst.“ – „Nun ja, sooo schnell bin ich auch wieder nicht. Für den ganzen kleinen Schnick-Schnack haben wir schon vorgefertigte Bauteile, die wir nur noch zusammenschrauben müssen. Das einzige, woran ich wirklich arbeiten musste, war an diesem Nachtsichthaarband. Die Idee stammt übrigens von Marlene. Bevor ich´s vergesse, in der blauen Kiste sind noch ein paar Rauchbomben, Knallbomben und Stinkbomben, sie gehören zur Grundausstattung von allen im Außendienst. Wir machen keine Belieferung, du musst also alles selber abholen und auffüllen. Die bekommen morgen alle eine ewig lange Liste. Ich setzte mich jetzt noch eine Stunde dran, um für jeden eine Liste anzufertigen. Vielleicht sollte ich Theo und Petra um Hilfe bitten. Denen fallen bestimmt auf Anhieb zig Sachen ein, die auf die Liste gehören.“ Ich grinste, schnappte mir die Sinnesbomben (der zusammenfassende Spitzname der drei Bomben) und wartete darauf, dass Leonie fertig wurde.

Nach etwa zehn Minuten gab sie mir das Haarband. Hoffentlich sind Petra und Theo heute hier geblieben. Die wären bei den Plänen sehr hilfreich. Vor allem weil es inzwischen schon kurz nach zwölf ist. Erschrocken sah ich auf meine Uhr. Tatsächlich war es schon kurz nach zwölf und dabei hatte ich meiner Oma versprochen sie anzurufen! Meine Oma war schon seit mehreren Wochen im Krankenhaus. Eigentlich sollte sie auf mich aufpassen, da meine Eltern im Ausland waren und ich noch zu „klein“ war, um alleine zuhause zu bleiben. Im Moment schlief ich in meinem Zimmer hier im Hauptquartier, meiner Oma erzählte ich aber, ich sei bei einer Freundin untergekommen, was zum Teil ja auch stimmte, da Marlene auch hier schlief.

Fortsetzung folgt