16 Jahre Angela Merkel

Jeder wird mitbekommen haben, dass dies wohl das letzte Amtsjahr von Angela Merkel war. Die schätzungsweise mächtigste Frau der Welt ist nach 16 Jahren zurückgetreten. Sie kündigte bereits vor der letzten Bundestagswahl an, nicht mehr antreten zu wollen. Fast wäre sie die am längsten amtierende Kanzlerin gewesen, doch mit Olaf Scholz‘ recht schnellem Antritt als Kanzler am 8. Dezember bleibt Helmut Kohl der Rekordhalter (die Koalitionsverhandlungen dauerten damals länger). Doch wie waren diese turbulenten 16 Jahre und was waren die größten Krisen und Errungenschaften von Angela Merkel? Und auch, was für ein Land wird sie hinterlassen?

Die ersten Jahre
Bevor Merkel am 22. November 2005 zur ersten Kanzlerin Deutschlands gewählt wurde, hatte sie bereits verschiedene politische Ämter besetzt, unter anderem unter Helmut Kohl das Umwelt-und Klimaministerium. Ihr erster Wahlsieg 2005 war sehr knapp, doch nach den vorgezogenen Wahlen löste sie, zusammen in einer Koalition mit der SPD, Gerhard Schröder ab. In ihrer ersten Amtszeit von 2005 bis 2009 fiel sie noch nicht so besonders auf wie später, doch ein paar Sachen gab es schon. In der Finanzkrise, die 2007 begann, versicherte sie allen Bürgern, dass ihre Spareinlagen sicher seien, eine mutige Aussage, die zwar die Leute beruhigte, sich aber keinesfalls auf damals vorliegende Analysen stützte. Damals noch als „die Umwelt-Merkel“ bekannt, leitete sie einige Gesetze zum Umweltschutz ein und empfing auch den Dalai Lama, was jedoch viel außenpolitische Kritik hervorrief. Auch mit dem 2008 zum US-Präsidenten gewählten Barack Obama pflegte sie eine gemeinsame Linie.
Ihre zweite Amtszeit wollte Merkel in Koalition mit der FDP führen (Schwarz-gelbe Koalition zwischen FDP und CDU). Beide Parteien erreichten die dafür nötigen Stimmen, Merkel wurde mit 323 von 612 Stimmen erneut Kanzlerin, aber die Zusammenarbeit der beiden war anfangs sehr schwer und wurde erst nach einem Jahr von der Öffentlichkeit als gut empfunden. 2010 wollte Verteidigungsminister von Guttenberg die Bundeswehr neu strukturieren, ein Prozess, der sich lange fortsetzte und auf den Misswirtschaft und Korruption folgte. Jedenfalls wurde die Wehrpflicht abgeschafft, doch von Guttenberg trat wenig später aufgrund eines Plagiatsvorwurfes in einer früheren Doktorarbeit zurück.

Durch die 2010 stattfindende Lebenszeitverlängerung der 17 deutschen Atomkraftwerke zeichnete sich eine deutliche Wendung in der Energiepolitik Merkels ab, die sie jedoch ein paar Tage nach der Fukushima Atomkatastrophe wieder zurücknahm. Diese Kehrtwende brachte ihr zwar von beiden Seiten Kritik ein, aber so konnte sie durch einen Kompromiss die Zustimmung der breiten Bevölkerung gewinnen. Auch beim NSA Skandal forderte sie eine schnelle Aufklärung, als herauskam, dass sie und andere Regierungsmitglieder abgehört wurden. Die Wahl 2013 gewann die Union ebenfalls und Merkel wurde in der GroKo (Große Koalition zwischen CDU und SPD) erneut zur Kanzlerin gewählt. 2015 wartete bereits die nächste und wohl zweitschwerste Krise in ihrer Amtszeit auf Merkel. Über eine Millionen Flüchtlinge aus verschiedenen Nahost- und asiatischen Ländern kamen nach Deutschland und die Anzahl der Asylanträge stieg 2015 und 2016 drastisch.

„Wir schaffen Das“
Mit diesen Worten erklärte Angela Merkel am 31. August 2015 nach der Westbalkan-Konferenz über die Verteilung der Migranten, dass Deutschland für die kommenden Flüchtlingsmassen gewappnet sei. Kaum ein Satz prägte Merkels Kanzlerschaft mehr als dieser. Durch diese Ereignisse wurde in Deutschland die Debatte über die Asylpolitik stark verschärft. Von Fremdenfeindlichkeit bis hin zu solidarischer Offenheit gab es viele Reaktionen. Durch die irreführend von der AFD als „illegale Öffnung der Grenzen“ (die Grenzen innerhalb Europas waren offen) bezeichnete Nicht-Schließung der Grenzen ermöglichte Merkel Zehntausenden, leichter oder überhaupt nach Deutschland zu kommen. Damit das Ausnahme blieb, wurden kurz danach wieder Grenzkontrollen eingeführt. Ihr Handeln brachte ihr viel Ärger mit Ländern wie Ungarn und Österreich ein. Doch die solidarische Offenheit hatte auch ihre Schattenseiten. Nach einigen islamistischen Terroranschlägen wurde klar, dass der IS gezielt die lockeren Einreisebedingungen für die Flüchtlinge genutzt hatte, um Terroristen einzuschleusen. Nicht wenige Menschen gaben auch falsche Pässe und Identitäten an, um bessere Bleibeperspektiven zu haben. Im selben Jahr noch wurde das Asylrecht verändert, um Flüchtlinge leichter abschieben zu können. Was nun als „sicheres Herkunftsland“ gilt, ist bis heute ein großer Streitpunkt.

Das letzte Kabinett und Corona
Bei der Wahl 2017 musste die CDU, trotz Sieg, ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949 einfahren. Die SPD kündigte an, nicht mehr koalieren zu wollen, doch die Gespräche zur Jamaika Koalition (FDP, Grüne und CDU) wurden nach vier Wochen von Christian Lindner abgebrochen. So gab es doch wieder eine GroKo zwischen SPD und CDU.
Anfang 2020 rollte ein Ereignis auf uns zu, das wohl jeder mitbekommen hat. Vom chinesischen Wuhan breitete sich der Coronavirus über die ganze Welt aus und hat bis jetzt unser Leben hart im Griff. Recht schnell erließ die Regierung die uns bekannten Corona-Maßnahmen und ein miliardenschweres Hilfspaket. Die Kanzlerin richtete sich in der Krise auch in einer Ansprache direkt an die Bevölkerung und drängte die Landesregierungen mehrmals zu koordinierten, strengeren Maßnahmen.

Was kann man also abschließend sagen? Aus den meisten Krisen während Merkels Amtszeit ging Deutschland gestärkt hervor, teils durch gewagte Politik, teils durch das Ruhigbleiben und Einen-kühlen-Kopf-Bewahren. Kritiker werfen Merkel vor, die Krisen ausgesessen zu haben, anstatt sie anzugehen. Ihre Befürworter sehen darin ihre Stärke. Doch manchmal war das Warten fatal: Durch ihr langes Zögern hat Merkels Regierung dafür gesorgt, dass tausende von den Taliban verfolgte Menschen in Afghanistan festsitzen, weil sie trotz Warnungen über die Lage nicht rechtzeitig evakuiert wurden. Und auch dem Klima hat langes Warten nicht gerade gut getan. Doch in der Digitalisierung hinterlässt die Kanzlerin ein teures Erbe. Um das Gesundheitssystem zu digitalisieren, braucht man in den nächsten Jahren knapp 60 Mrd €, für die Bahn 32 Mrd € und das alles sind nur Kosten, die durch das Nichthandeln in letzten Jahren entstanden sind.
Im Ausland war sie teilweise sehr beliebt (naja, außer vielleicht in Griechenland). Gerade eben erst wurde Merkel auf ihrer Abschiedsreise nach Frankreich in höchsten Tönen gelobt und mit dem höchsten französischen Orden ausgezeichnet, den es gibt. Obama nennt Merkel „eine gute Freundin“ und lobt ebenfalls ihre internationale Arbeit. Leute, die unter 16 Jahre alt sind, kennen ein Deutschland ohne Merkel gar nicht und wir können auf jeden Fall sagen, dass am 8. Dezember eine Ära zu Ende gegangen ist.