Taiwan im Brennpunkt der Welt – eine Lagebeschreibung / Teil 1

In Taiwan wurde vor kurzem erst gewählt und auch sonst kommt die Insel immer häufiger in die Nachrichten, denn die Spannungen zwischen China und Taiwan nehmen zu. Man sieht immer häufiger chinesische Kriegsschiffe und Manöver, ganze Inseln werden aufgeschüttet und zu Militärbasen ausgebaut. Was ist los zwischen Taiwan und China und wie entstand die ganze Situation?

„Ist es das erste Mal, dass du Auto fährst?“ fragt Tsai Ing-wen, die noch amtierende Präsidentin Taiwans, den auf dem Beifahrersitz sitzenden Lai Chingte, noch Vizepräsident, aber bald schon neues Staatsoberhaupt. „Nicht wirklich, eigentlich fahre ich schon seit vier Jahren auf dieser Straße“, antwortet dieser, solange begleitet er Tsai schon als Vize. Schließlich steigt Tsai aus und überlässt es Lai und seiner zukünftigen Vizepräsidentin Xiao Meiqin. Die beiden verabschieden sich von ihr und fahren weiter, während sie über Taiwan und die Demokratie schwärmen.

Die wunderbare Analogie vom Autolenken als Staatslenken stammt aus einem Wahlkampfspot der derzeitigen Regierungspartei DPP (Democratic Pogressiv Party). Und genauso ist es dann letztendlich gekommen, die Wahlen am 13. Januar, erst vor einigen Wochen, haben nämlich wieder sie gewonnen.
Die progressiven Demokraten stehen für die Unabhängigkeit Taiwans und orientieren sich tendenziell eher an westlichen Werten. China dagegen deutete im Vorhinein an, dass eine erneute Wahl der DPP Krieg bedeuten würde.
Taiwan ist eine Insel im Westpazifik und liegt sehr nahe an China. Die Meerenge zwischen ihnen heißt die Taiwan-Straße, hier spielen sich seit geraumer Zeit Machtdemonstrationen und Grenzüberschreitungen ab. Chinesische Militärflugzeuge und Kriegsschiffe dringen immer öfter auf unerlaubtes Gebiet ein, zuweilen auch als Reaktion auf den Besuch hochrangiger Staatsträger des Westens in Taiwan. China hat verkündet, dass es Taiwan wieder ins Festland eingliedern wolle, man würde sich den Gebrauch von Gewalt „vorbehalten“. Doch wie kam es überhaupt zu diesen Spannungen und wieso kommt China dazu, Taiwan für sich zu beanspruchen?

Wie so oft muss man dafür etwas in der Zeit zurückgehen: Ab den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts herrschte in China ein Bürgerkrieg zwischen den Nationalisten der Guomindang (bekannter als Kuomintang) kurz KMT und der Kommunistischen Partei Chinas. Nachdem die beiden Parteien sich kurzzeitig verbündet hatten, um sich gegen Angriffe von Warlords im Innern und durch Japan von außen zu verteidigen, ging nach dem zweiten Weltkrieg der Bürgerkrieg sofort wieder los.

1949 endet er mit dem Sieg der Kommunisten Maos über die Nationalisten, die jedoch von den meisten damals weiterhin als legitime Regierung Chinas angesehen werden. Chiang Kai-shek, der ehemalige Präsident Chinas und Anführer der KMT, flieht daraufhin mit 2 Millionen Anhängern nach Taiwan, eine nicht weit von Chinas Ostküste entfernt gelegene Insel, die im Westen auch unter dem Namen Formosa bekannt ist. Erstmal weiterhin von den USA unterstützt, regiert er auf Taiwan mit den diktatorischen Mitteln des „weißen Terrors“ weiter und hofft auf eine Zurückeroberung des chinesischen Festlandes, die jedoch mangels Kapazitäten der USA nie kommen wird. Auf diesem bauen die Kommunisten unter Mao Zedong inzwischen jenen Staat aus, den wir heute als China kennen, wobei die Anfangszeit der „Volksrepublik“ von Katastrophen und Problemen geplagt ist. Doch auch hier beruhigen sich die Verhältnisse irgendwann und am Ende des 20. Jahrhunderts haben die USA die Volksrepublik China als einiges China anerkannt. Chiang Kai-shek ist inzwischen verstorben, was in Taiwan langsam aber sicher eine funktionierende Demokratie ermöglicht hat. An einer sofortigen militärischen Auseinandersetzung war seither keiner mehr interessiert, auch weil Taiwan vermehrt sehr wichtig für den Welthandel geworden ist. So gibt es nun also zwei chinesische Republiken, die mehr oder weniger koexistieren, wobei Taiwan völkerrechtlich eben kein eigener Staat ist. Das macht Xi’s Ansprüche nicht direkt illegal.

Fortsetzung folgt