Verschwunden – 10. Ein neues Mitglied?

Wir mussten alle mit auf das Präsidium für die Zeugenaussagen. Dadurch bekamen wir noch ein paar Zusatzinformationen, bevor Evelin, das befreite Mädchen, zurück nach Hause durfte und wir zum Wohnwagen. Das war in den frühen Morgenstunden bei Sonnenaufgang. Evelin ist die Tochter von Paul Knall, der wurde mit ihr erpresst und ließ sich in die Angelegenheit mit reinziehen. Evelin hatte nun nur noch ihre Oma in Girlland und ihren Onkel in Südaustralien. Ihre Mutter war kurz vor der Freilassung von Paul gestorben.

„Wir müssen noch etwas besprechen, bevor Evelin kommt“, sagte Jonas. Sie sollte ihre Sachen packen und mit uns nach Girlland zu ihrer Oma fahren. „Ich würde viel davon halten, wenn wir Evelin als neues Mitglied der KJD betrachten könnten, aber natürlich brauche ich dafür von euch noch die Einverständniserklärung, sonst darf sie nicht als Mitglied der Spezialeinheit anerkannt werden“, den letzten Teil erklärte er in meine Richtung. „Deswegen hast du solange mit Karina geplaudert, du hast sie gefragt, was sie über Evelin weiß, du musst uns jetzt erzählen, was du über sie weißt“, forderte Marlene. „Also“, begann Jonas, „Evelin ist eine gute Schauspielerin und hatte schon mehrere Auftritte hier in der Nähe. Mit ihren Ausfrage-Taktiken hat sie schon die eine oder andere Lüge aufgedeckt, wie zum Beispiel den Pausenbrotdiebstahl! Karina fehlten nur noch die Beweise und da kam Evelin um die Ecke, hat den Verdächtigen ausgefragt, und ehe er sich versah, hatte er ein Geständnis abgelegt, das sie aufgenommen hatte. Also, was sagt ihr?“
Marlene und ich tauschten Blicke aus, bevor wir einwilligten. Nach Marlenes Blick zu urteilen fand sie es genauso seltsam wie ich. Warum hatte Jonas nur durch ein paar Anmerkungen von Karina Evelin schon als SPEH- Mitglied abgehakt? Ich musste mich später mit Marlene unterhalten, vielleicht hatte sie eine Erklärung. Es war ja nicht so, als ob ich Evelin nicht geeignet dafür finden würde, aber Jonas war sonst immer der, den man überreden musste.

„Wo soll ich mein Zeug abstellen?“, fragte die glockenhelle Stimme von Evelin. „Hallo, komm mit, ich zeig dir, wo du das abstellen kannst.“ Vom Aussehen her hätte ich sie kaum wiedererkannt. Sie hatte eine saubere, kurze Hose, ein sonnengelbes T- Shirt und eine blaue Kapuzenjacke an. Ray und Wagner saßen vorne und Jonas setzte sich murrend an unseren Tisch. „Hast du es ihr schon angeboten?“, fragte Marlene Jonas. Der schüttelte den Kopf. Evelin sah mich fragend an. Ich schaute zu Jonas mit einen Blick, der bedeuten sollte: Sag es jetzt oder nie. Jonas stotterte (nicht normal für Jonas): „Ähm, also, wir wollten, ähm, dir anbieten das du, ähm…“ Weiter kam er nicht, weil Marlene die Geduld verlor: „Was Jonas meint, ist dass du, wenn du magst, Mitglied der KJD werden kannst. Wir zwingen dich nicht, das jetzt entscheiden zu müssen. Spätestens in Girlland solltest du dich aber entscheiden. Also, wer hat Lust auf eine Runde Uno?“

Auf dem Weg zurück nach Girlland gewann ich fünf von den sieben Runden, die wir spielten. Jonas hatte nach der dritten Runde, die ich in Folge gewann, keine Lust mehr und verzog sich hinter sein Buch. In Girlland angekommen brachten wir zuerst Evelin zu ihrer Oma. „Hast du dich entschieden?“, fragte ich sie. Evelin schaute zuerst verwirrt, bevor sie begriff, was ich meinte: „Äh, ja. Ich würde mich gerne euch anschließen.“ „Jonas kann dich ja morgen zur Besprechung abholen, die Besprechung startet um 17:00Uhr“, bestimmte Marlene. Jonas wurde rot und murmelte etwas von wegen, er müsse schnell nach Hause.
Auf dem Weg zur Bäckerei, über der Marlene wohnte, machte Marlene einen Vorschlag: „Wir haben ja Spitznamen, also meiner ist Laugenstange (mit Salz) und Jonas ist der Computer (neustes Modell) und du könntest die getigerte Katze sein, was sagst du?“ „Ich bin einverstanden, unter der Bedingung, dass sie orange ist“, sagte ich mit einem Lächeln. „Einverstanden“, meinten Marlene, Jonas und Wagner wie aus einem Mund.
Ich war glücklich und freute mich auf die nächsten Fälle, die die SPEH übernehmen würde. Denn ich war mir sicher, es würde bald etwas genauso Großes passieren und wenn nicht in Girlland dann irgendwo in Deutschland, wo wir es mitbekommen würden.

– Ende –