DIE RINGE DER MACHT – eine Kritik

Mit über 1 Milliarde Dollar Budget brach die neue Amazon Serie schon gleich einen neuen Rekord: Den für die teuerste Serie der Welt. Nicht zuletzt aufgrund der riesigen Spanne zwischen Ankündigung der Serie und Release war die Erwartungshaltung gigantisch. Doch schaut man inzwischen in die Kritiken, muss ja angeblich einiges falsch gelaufen sein. Was  also ist passiert?

Abgesehen von seinen sehr populären Werken „Herr der Ringe“ und „Der kleine Hobbit“ schrieb Tolkien schon viel früher, teilweise sogar in den Schützengräben des ersten Weltkriegs, Geschichten und teils unvollständige Erzählungen über die verschiedenen Zeitalter von Mittelerde, von denen die wichtigsten im „Silmarillion“ zusammengefasst sind.
Hier nur so viel: Die Serie spielt im zweiten Zeitalter von Mittelerde, hier finden sowohl der Aufstieg und vorübergehende Niedergang Saurons als auch die Schmiedung der Ringe statt, sicherlich einige tausend Jahre vor dem „Herrn der Ringe“.

Hier nun die grobe Storyline der ersten Staffel. Schon allein hier merkt man leicht, dass sich die Macher wenig um Widersprüche zu den Charakteren und Ideen Tolkiens geschert haben: Der Bruder der Elbe Galadriel wird von Sauron umgebracht und wie es bekanntermaßen so ausgesprochen weise Wesen wie die Elben eben tun, ist sie durch und durch von Rache getrieben und opfert das Leben von anderen Elben, um Sauron zu finden und zu töten. Sauron agiert lange Zeit nicht mehr und so meinen all diese ach so klugen Elben, dass Sauron gestorben sein müsse, auch wenn er – wie allseits bekannt – unsterblich und der König des Bösen in Mittelerde ist. Außer Galadriel, versteht sich, die für die Geschichte natürlich weiterhin auf der Suche nach Sauron sein muss. Nun gut.

Parallel zu alledem fällt bei den Haarfüßen (frühere Hobbits) ein Komet herunter, aus dem ein Zauberer kommt. Dieser ist für die erste Staffel irrelevant, streckt aber die Folgen erheblich. Galadriel entdeckt Hallbrand, den vermeintlichen König der Südlande, während in jener Region ein Elbe namens Arondir stationiert ist. Galadriel geht mit jenem König auf die von Menschen bewohnte Insel Numenor, wo sie Saurons geheimen Plan enttarnt, indem sie das Symbol, das Sauron jahrhundertelang überall verbreitet hat, einmal auf den Kopf dreht. Ohne wissen zu können, dass eben jener Plan kurz vor der Verwirklichung steht, drängt sie genau just darauf, mit einer Armee nach Mittelerde zu reisen. Auch die Zwerge spielen noch eine Rolle, da sie in der Serie ein Herz haben, das die Elben vor ihrem Niedergang retten kann und das ausgerechnet jetzt entdeckt wird. In den Südlanden, einem riesigen Gebiet, was anscheinend nur aus ein paar wenigen Hundert Menschen und Häusern zu bestehen scheint, führt Adar, offenbar eine Art Diener Saurons, den Plan aus, der darin besteht, einen Staudamm einzureißen, damit das Wasser durch lange und offensichtlich schon – niemand weiß von wem – gegrabene Bahnen einen Vulkan wiederaktiviert und die Südlande zu Mordor werden. Da dieser nicht besonders große Staudamm unverständlicherweise auf gar keinen Fall von einem kleinen Trupp Orks eingerissen werden kann, braucht man für ihn einen magischen Schlüssel. Und schon ist eine weitere Folge gefüllt.
Doch schließlich gelingt der Plan, der Vulkan bricht aus und archaisch-furchtlos wie immer trotzt der weibliche Hauptcharakter der Lavawolke und überlebt. Natürlich. Zurück in Mittelerde entdeckt Galadriel endlich, dass die Blutlinie der Südländerkönige schon seit Jahrtausenden erloschen ist – was davor wohl noch niemand bemerkt hat. Doch Sauron kann nach Mordor fliehen und die drei Elbenringe werden geschmiedet.

Soweit so gut bzw. so schlecht. Aber was außer einer von logischen Fehlern und Plot Holes geplagten Story (manche sind nur mit viel Hintergrundwissen zu erkennen) scheint die Kritiker und Fans der Tolkien-Welt dann noch zu stören? Einerseits scheint die Serie meiner Meinung nach kein Interesse daran zu haben, eine echte „Mittelerde“ Serie zu sein. Selbst der Regisseur der ersten zwei Folgen hatte offenbar keine Ahnung von den Sagen, die der Serie zugrunde liegen, was sich zeigte, als Amazon die „Highlights“ seines Interviews in einem Behind the Scenes Video brachte. Und dann noch das Styling: War es wirklich nötig, dass Elben jetzt Kurzhaarfrisuren tragen? (Und nein, ich bin keiner von denen, die sagen, dass es schlimm ist, dass es nun auch Elben und Zwerge of Color gibt, auch wenn es stellenweise echt wenig Sinn ergibt).

Man erwartet bei einer „Herr der Ringe Sache“ natürlich ein gewisses Muster, geprägt durch die Bücher und ganz besonders die Filme von Peter Jackson. Doch wenn die Serie sich wirklich nicht in deren Tradition sieht, dann ist dies sehr unglücklich, da es Amazon hätte klar sein müssen, dass die Serie an genau jenen Ansprüchen gemessen würde. Amazon betonte selbst in den Ankündigungen, dass durch die Serie u.a Leute angesprochen werden sollten, die nur Jacksons Filme gesehen hätten und sonst eher weniger serienaffin seien. Auf rein technischer Ebene ist an der Serie sehr wenig auszusetzen, das Budget sieht man an jeder Stelle, was man meiner Meinung nach nicht vom Drehbuch behaupten kann. Schlechte oder einfach sinnlose Dialoge, Charakter-Entscheidungen, die fünf Minuten später wieder revidiert werden, fallen einem zwar an manchen Stellen kaum auf, trüben dann aber in der Summe den Gesamteindruck gewaltig.

Alles in allem: Trotz vieler Höhen, auch vereinzelt recht coolen Momenten und dem Fakt, dass hier für Tolkien-Fans ein bisschen nachgeliefert wurde, ein doch recht mühsames Schauerlebnis von 8 Folgen – oder anders gesagt: eine verpasste Chance.