Gegen das Vergessen – Gedenken am Killesberg

Mehrere Tausend Menschen wurden von Stuttgart aus in Züge gepfercht und in den Tod geschickt. Es geschah direkt um die Ecke: Am Killesberg.
Vor 81 Jahren begann die Deportation der jüdischen Menschen aus Stuttgart und Württemberg. Unsere Klasse 10B war am 1. Dezember bei dem Gedenken zum 81. Jahrestag mit dabei und gestaltete die Feier mit eigenen Texten mit. ebbesNews war auch vor Ort. Für alle, die nicht anwesend sein konnten, drucken wir Auszüge aus den Schülerreden hier ab.

Lennart:
„Die im 2. Weltkrieg und in der Zeit des Nationalsozialismus geschehenen Verbrechen waren in vielerlei Hinsicht ein unmittelbarer Verstoß gegen die Menschlichkeit. Von Gewaltexzessen bis hin zur systematischen Ermordung von Millionen Juden. Das systematische Auslöschen von bestimmten Menschengruppen geschah mit einer erschreckenden Rationalität und Effizienz. Lange Zeit waren die Verbrechen in der öffentlichen Diskussion ein Tabu-Thema. Erst wurde behauptet, niemand habe davon gewusst. Doch schon, als die Lager befreit wurden, kam zutage, dass Menschen schreckliche, unvorstellbare Dinge getan hatten.“

Lukas:
„Als die Rote Armee am 27. Januar 1945 das KZ Auschwitz befreite, waren die Soldaten schockiert von den Gräueltaten der Nationalsozialisten. Erst nach und nach in den Nürnberger Prozessen wurde klar, wie groß das Ausmaß der Verbrechen war. Doch trotzdem gab es in der deutschen Gesellschaft noch lange einen Widerwillen, die Verbrechen als solche zu sehen: Richter, Gestapo-Beamte und andere Schergen der Nazis blieben in ihren Ämtern, Wehrmachtssoldaten wurden als heldenhafte Verteidiger des Vaterlandes betrachtet. Diese Haltung änderte sich erst mit der 68er-Bewegung. Die Aufklärung der Verbrechen und die Verfolgung der Täter ist bis heute nicht abgeschlossen. Gleichzeitig sieht man in vielen Ländern der Welt ein Wiedererstarken des Rechtsextremismus und Faschismus. Ausgrenzungen und rassistische sowie antisemitische Äußerungen werden wieder gesellschaftsfähig. Viele Menschen sind demokratiemüde und sehnen sich wieder nach „starken Anführern“. Vor allem deshalb wird es jetzt immer wichtiger, dass die Gesellschaft darauf aufpasst, dass derartige Strömungen nicht zu stark werden. Vor allem die Jugend hat hier eine wichtige Aufgabe, wenn ältere Generationen, die den Krieg oder die Nachkriegszeit noch selbst miterlebt haben, schon bald nicht mehr zu uns sprechen können. Die Jugend muss diese Erinnerungskultur übernehmen und fortführen, selbst wenn viele selbst vielleicht keinen direkten persönlichen Bezug zum Holocaust und zum Nationalsozialismus haben.“

Johanna:
„Als ich das erste Mal gehört habe, dass manche sagen, man solle <mal endlich die Vergangenheit ruhen lassen>, konnte ich erst gar nicht glauben, wie verblendet Menschen sein können. Immer mehr Leute finden es <nervig>, über die Opfer des Holocaust zu sprechen, man solle es endlich vergessen. Das sagen nur Leute, die keine Art von Verstand besitzen. Das Dritte Reich, der zweite Weltkrieg. All das Grauen, die Toten, das Leid. All das sollte uns eine Lehre sein, wie grausam und abgrundtief hässlich wir sein können. Und all die Leute, die sagen, man sollte es vergessen, haben schon längst vergessen, dass sie eine Verantwortung haben. Nämlich zu verhindern, dass so etwas je wieder passiert. Denn mit dem Vergessen soll jegliche Schuld von uns weggeschoben werden. Alles wird einfach ausradiert und unsere Kinder werden vielleicht gar nicht mehr wissen, wie schlimm dies alles war. Das dürfen wir nicht zulassen.“

Anselm und Louis:
„Es ist erschreckend, ja beängstigend, was damals verbrochen wurde. Aber wir müssen daran erinnern. Bei einer Verlegung zweier Stolpersteine mit dabei zu sein, hat uns sehr bewegt.
Heute gehen wir mit dem Thema und dem schweren Erbe des Dritten Reiches viel zu leichtfertig um. Dass es Menschen auch in unserem Umfeld gibt, die die Verbrechen der NS-Zeit relativieren und herunterspielen und sie teilweise rechtfertigen, zeigt, dass es eine wirklich nachhaltige Aufarbeitung nicht überall gibt. Leid, Schmerz und Hass gegen Menschen im eigenen Land. Menschen, die so aussehen wie du, reden wie du und leben wie du. Doch dann kommt die Wendung. Nachbarn, die du dein ganzes Leben kanntest, mit denen du gefeiert, gelacht und geteilt hast, werden plötzlich gemieden, gehasst und schließlich abgestoßen, verjagt, weggebracht. Diese Menschen haben nichts verbrochen. Am Ende sind es nur ihr Glaube und ihre Herkunft. Das allein ist genug, diese Menschen zu niederen Menschen zu machen. Wie konnte das alles passieren? Was konnte bewirken, unseren jüdischen Mitbürgern so etwas anzutun?“

Maria:
„Ich merke, dass das, was geschehen ist, immer vernebelter und weiter weg erscheint. Es schwindet aus den Köpfen der Menschen. Nicht mal 80 Jahre sind vergangen und weltweit werden Kriege geführt und Menschen verfolgt. Wir müssen das Wissen darum am Leben erhalten und aus den Fehlern lernen, um sie nie mehr zu wiederholen.“